Vertrauen spielt im Anwaltsberuf eine zentrale Rolle. Im Falle der Wiener Kanzlei Winkler – Reich-Rohrwig – Illedits – Wieger konnte es über vier Generationen hinweg wachsen. Gegründet Ende des 19. Jahrhunderts, überzeugt die Kanzlei heute mit klarem Schwerpunkt auf Miet- und Wohnrecht sowie wissenschaftlichem Renommee. Wir sprachen mit Hon. Prof. Dr. Alexander Illedits, einem der beiden aktiven Partner.
Es dürfte kaum ein Unternehmen geben, das über mehr als 140 Jahre hinweg das gleiche Bankkonto führt. Die Wiener Kanzlei Winkler – Reich-Rohrwig – Illedits – Wieger tut es. Wie die heutigen Partner erfahren haben, lässt sich an der Kontonummer ablesen, dass es sich bei ihrem Konto um das 915. der 1882 gegründeten Postsparkasse (heute BAWAG) handelt – also um eines der ersten.
Traditionsbewusstsein zeigt die Kanzlei bereits im Namen: Zwei der genannten Partner befinden sich seit Jahren im Ruhestand. Einer von beiden ist Dr. Otto Reich-Rohrwig, auf dessen Großvater die Kanzlei zurückgeht.
Die beiden heute aktiv tätigen Partner, Herr Hon. Prof. Dr. Alexander Illedits und Mag. Daniela Wieger, arbeiten seit 36 beziehungsweise 23 Jahren in der Kanzlei.
Wirtschaftlicher Erfolg ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Doch wenn ein Unternehmen 100 Jahre und mehr besteht, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Welche Strategien, Werte und Prinzipien haben zu dem andauernden Erfolg beigetragen?
Die 100-jährige Geschichte von Wüstenrot zeigt eindrucksvoll, dass nachhaltiges Wachstum vor allem durch Kundennähe, kontinuierliche Innovationskraft und ein verantwortungsbewusstes Produktangebot gelingt.
Im Rahmen unseres Jubiläums möchten wir gemeinsam mit anderen traditionsreichen Unternehmen aus Österreich und der ganzen Welt den Erfolgsfaktoren auf den Grund gehen. Unsere Gespräche bieten Einblicke in bewährte Erfolgsrezepte, die Generationen verbinden und den Herausforderungen der Zeit trotzen.
Herr Hon. Prof. Dr. Alexander Illedits, Ihre Kanzlei gibt es seit über 140 Jahren. Welche Meilensteine und Wendepunkte gab es?
Hon. Prof. Dr. Alexander Illedits: Unsere Kanzlei war immer eine kleine und familiär geführte Kanzlei und ist es bis heute. Wir sind nicht mehr als zehn Leute, keine „Law Firm“ also, sondern eher eine „Law Boutique“.
Einen Bruch gab es vor zehn Jahren, als Dr. Otto Reich-Rohrwig in den Ruhestand ging. Sein Großvater hatte die Kanzlei ja in der k. u. k.-Zeit gegründet und seitdem war immer ein Reich-Rohrwig beteiligt.
Vielleicht beginnt ja jetzt die Ära der Illedits, denn ich konnte meine Tochter überzeugen, für unsere Kanzlei zu arbeiten. Sie legt heuer ihre Anwaltsprüfung ab.
Die Spezialisierung auf Nachbarschaftsthemen, Miet- und Wohnrecht haben schon unsere Senior-Partner vorgenommen. Neu hinzugekommen durch mich und auch Frau Wieger ist ein wissenschaftlicher Schwerpunkt. Durch wissenschaftliche Publikationen und Kommentare haben wir uns einen guten Namen erworben. Dazu trägt sicher auch die mir von der Wiener Sigmund-Freud-Universität verliehene Honorarprofessur bei.
Wie wurden Krisen und Herausforderungen gemeistert?
Größere wirtschaftliche Krisen gab es bisher zum Glück keine. Kleinere Krisen gibt es natürlich immer, wenn sich Klienten verabschieden. Wir haben zum Beispiel über 30 Jahre mit einem großen Telekommunikationsunternehmen zusammengearbeitet, das uns dann plötzlich heruntergefahren hat. Wir haben daraus gelernt und versuchen, uns nicht zu sehr auf einen Großkunden zu fokussieren, sondern einen breitgefächerten Kundenstamm zu haben. Wir haben in Fachkreisen und in Wien einen guten Namen und daher das Luxusproblem, dass wir so viel zu tun haben, dass wir leider manche Mandate ablehnen müssen – denn der Tag hat nur 24 Stunden.
Welche Rolle spielt Tradition in Unternehmen?
Wir werden oft gefragt, wieso heißt ihr immer noch Winkler – Reich-Rohrwig – Illedits – Wieger, obwohl die Herren Winkler und Reich-Rohrwig schon seit 10 bzw. 20 Jahren in Pension sind? Wir haben die Namen bewusst beibehalten. Das haben nicht etwa die beiden Senior-Partner verlangt, sondern umgekehrt – wir haben das angeregt, weil wir dachten, dass die Tradition für die Kanzlei spricht. Herr Reich-Rohrwig kommt auch noch mindestens einmal in der Woche vorbei. Er schaut sich Akten an, wir plaudern miteinander, führen aber auch Rechtsgespräche. Das war vor allem in den ersten Jahren sehr hilfreich. Es ist aber immer noch ein interessanter Input, den wir nicht missen wollen.
Die Tradition spielt auch eine Rolle gegenüber der Kollegenschaft und bei Gericht. Durch den Kanzleinamen und die Tradition genießen wir Reputation und Vertrauen. Es gibt in Wien einen großen Anwaltsmarkt. Da kann man nicht jeden kennen. Aber mit einer Kanzlei, die schon Jahrzehnte existiert, gibt es eine Vertrauensbasis. Wenn ich zum Beispiel mit einem Kollegen vereinbare: „Wir gehen morgen nicht vor Gericht, sondern machen einen Deal“, dann muss das nicht unbedingt schriftlich bestätigt werden. Wenn wir etwas versprechen, dann weiß die Kollegin oder der Kollege, dass sie sich darauf verlassen können, ohne sich 100-prozentig abzusichern. Diesen Vertrauensvorschuss wollen wir nicht verlieren und deshalb übernehmen wir auch manche Fälle nicht, beispielsweise bei dubios erscheinenden Geschäftspraktiken.
Gibt es in Ihrer Kanzlei eine Konstante über die Jahrzehnte hinweg?
Da fällt mir spontan die Loyalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Es zieht sich durch die Kanzleigeschichte, dass es bei uns nur natürliche Fluktuation gibt. Wenn jemand geht, dann in den Ruhestand. Das zeigt, dass sich alle bei uns wohlfühlen, dass wir wie eine kleine Familie sind. Wir haben altgediente Mitarbeitende. Obwohl ich seit 1989 dabei bin, gibt es zwei, die sogar schon vor mir in die Kanzlei gekommen sind.
Ich kenne alle schon seit Jahrzehnten, daher vertraue ich jeder und jedem uneingeschränkt, würde für jeden die Hand ins Feuer legen. So ist es auch zwischen uns beiden Partnern.
Dazu gehört auch, dass alle sich auskennen, alle wissen, was passiert und jeder die Arbeit der anderen im Blick hat. So vermeiden wir Fehler. Anders als in großen Unternehmen, wo die Leute nur ihren Bereich bearbeiten und ihnen alles andere oft egal ist.
Welche Rolle spielte und spielt Innovation?
Wir testen im Moment eine KI-Anwendung, um zu schauen, welche Ergebnisse da herauskommen. Durch Künstliche Intelligenz könnten wir Kosten reduzieren, indem wir Personal einsparen. Aber ich gebe zu, dass wir wegen der Verbundenheit mit dem Personal gar nicht so innovativ sind. Das Vertrauen in mein hochqualifiziertes Personal ist mir wichtiger. Das ist so gut eingespielt, dass die Kanzlei auch mal kurzfristig ohne uns beide Partner läuft. Unsere Angestellten wissen genau, was zu tun ist.
Vor welchen Herausforderungen steht Ihr Unternehmen in der Zukunft?
Wir haben – abgesehen von meiner Tochter – keine jungen Leute. Das wird uns irgendwann mal auf den Kopf fallen, wenn wir alle in Pension gehen. Spätestens dann müssen wir uns verjüngen.
Warum besteht Ihre Kanzlei Ihrer Ansicht nach seit weit über 100 Jahren?
Der historisch gewachsene Klientenstock, den wir von unseren Senior-Partnern übernehmen konnten, und der Schwerpunkt auf dem Nischenthema Miet- und Wohnrecht haben sicher geholfen. Und schließlich hat unsere wissenschaftliche Arbeit der Kanzlei gutgetan.
Unternehmen: Rechtsanwälte-Partnerschaft Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger
Gegründet: um 1882
Zentrale: Gonzagagasse 14/17, 1010 Wien
Standorte: einer
Zahl der Mitarbeitenden: zwei Partner und sechs weitere Mitarbeiter
Webseite: www.law-wire.at