Der Charme alter Gebäude

Heinrich Schuller sucht mit seinem Büro ATOS ARCHITEKTEN nach ökologisch nachhaltigen Lösungen und gibt uns im Interview Einblicke in seine Arbeit:

Herr Schuller, Sie haben schon unzählige Altbauten zu neuem Leben erweckt. Warum machen Sie solche Sanierungen?

Ich habe selbst ein 150 Jahre altes Bauernhaus besessen, an dem ich zehn Jahre lang mit eigenen Händen ganz viel saniert habe. Das tut man nur, wenn man eine Liebe zu alten Objekten hat. Es ist schade, wenn alte Häuser nicht geschätzt werden. Dabei wird der Wert nicht erkannt.

Und der wäre?

Der Wert eines alten Hauses lässt sich schlecht in Zahlen messen. Altbauten stehen meistens in einem Ortsverband mit einer sozialen Struktur. Die Anschlüsse wie Strom, Wasser und Kanal sind ebenfalls schon vorhanden und die Häuser haben einen ganz eigenen Charme. In geschlossener Bauweise haben sie oft einen uneinsehbaren Innenhof, der Privatsphäre bietet. Ein Neubau kann so etwas oft nicht leisten, weil heute kompakt gebaut werden muss. Alte Häuser haben meist auch ordentlich Speichermasse aus Ziegeln oder Lehm, ihre Wände bleiben angenehm kühl im Sommer.

Zur Person

Heinrich Schuller hat sein Büro ATOS ARCHITEKTEN 1999 in Wien gegründet. Die frühe Mitarbeit und Forschung an der Ökosiedlung Gärtnerhof hat seine ganzheitliche Herangehensweise an Architektur geprägt. Ziel ist die Entwicklung von nachhaltig ökologischen Lösungen.

Was ist das wichtigste Argument für eine Altbausanierung?

Die Liebe zu alten Objekten ist das Wesentliche. Bei meinem ersten Sanierungsprojekt hatten sich die Käufer schlichtweg in die stuckbesetzte Fassade des alten Häuschens mit ihren Kastenfenstern verliebt. Der Rest des Hauses war in so schlechtem Zustand, dass er nicht erhaltenswert war. Wir haben den kaputten Dachstuhl komplett abgetragen und ein modernes Geschoss im Holzbau mit integrierter Solaranlage aufgesetzt. So haben wir alt und neu kreativ verbunden.

Baufällige Häuser haben den Vorteil, dass sie günstiger zu erwerben sind. Aber eine Sanierung kann sehr teuer werden. Wann lohnt sie sich?

Sanieren lohnt sich immer dann, wenn man es richtig macht. Dann gleicht der Altbau qualitativ einem Neubau. Gerade haben wir ein hässliches Haus aus den 50er Jahren in Wien saniert. Wer es heute sieht, denkt, es sei ein Neubau. Und ganz nebenbei haben wir die Heizkosten fast auf Null reduziert – durch die Kombination von Wärmedämmung und Wärmepumpe, Photovoltaik und Stromspeicher. Würden die Eigentümer es jetzt verkaufen, könnten sie den Erlös einer neuen Immobilie erzielen und nicht den einer sanierten Bestandsimmobilie. So eine grundlegende Modernisierung kostet zwar mitunter so viel wie ein Neubau, das Haus ist danach aber auch so viel wert.

Paar steht Arm in Arm im Garten und schaut auf eiun Einfamilienhaus
Themenschwerpunkt: Wohneigentum finanzieren, kaufen und genießen

In unserem Themenschwerpunkt Wohneigentum findest du viele Artikel mit Tipps und Ideen für Eigentümer:innen und alle, die es werden wollen – von der Finanzierung bis zur Versicherung.

Sparsam sanieren finden Sie also nicht ratsam?

Es ist die größte Gefahr. Wer nur da und dort eine Kleinigkeit verbessert, erhöht nicht den Wert der Immobilie. Es bleibt ein altes Haus. Man sollte lieber Geld in die Hand nehmen und richtig modernisieren.


Wie können die Sanierungskosten verlässlich kalkuliert werden?

Bei alten Häusern stößt man oft auf unvorhergesehene Herausforderungen, die Kosten lassen sich weniger gut planen als bei einem Neubau. Man sollte auf jeden Fall 10 Prozent Risikoaufschlag einplanen. Viele Baufirmen raten von einer Sanierung ab, weil ihnen das Knowhow fehlt. Die Planung und Begleitung durch einen kompetenten Experten hilft, die Gesamtkosten unter Kontrolle zu halten.

Vorher
Nachher: Die Fassade wurde erhalten.
Sanierung – Pro und Contra

Wann eine Sanierung sinnvoll ist:

  • Gute Bausubstanz (tragfähige Wände, intaktes Dach, keine Feuchtigkeitsschäden).

  • Raumaufteilung passt oder kann leicht angepasst werden.

  • Es wurden bereits Sanierungen durchgeführt.

  • Staatliche Förderung für eine thermische bzw. energetische Gebäudesanierung und eine neue Heizanlage

  • Das Gebäude steht unter Denkmalschutz oder keine Genehmigung für den Abriss.

Wann ein Abriss besser ist:

  • Schadhafte, veraltete oder schadstoffbelastete Bausubstanz

  • Hohe Auflagen oder Anforderungen für eine energetische Sanierung

  • Die gewünschten Umbauten (Barrierefreiheit, große Räume) greifen stark in die Statik ein.

  • Wirtschaftlichkeit spricht gegen eine Sanierung.

Kernsanierung: Im ersten Schritt muss zunächst vieles rausgerissen werden.

Was raten Sie Menschen, die mit der Frage zu Ihnen kommen: Kernsanierung oder Abriss? Wann lohnt sich eine Sanierung nicht?

Man kann diese Frage grob nach einem 3-Punkte-Schema beantworten. Wenn man zwei der drei Fragen mit Ja beantworten kann, lohnt sich eine Sanierung.

  • Ist das Gebäude funktional? (sind zum Beispiel Grundriss und Raumhöhe geeignet?
  • Ist die Optik so, dass sie erhaltenswert erscheint?
  • Ist die Bausubstanz in gutem Zustand? (z. B. in Hinblick auf Statik und Feuchtigkeit)
  • Kann man manche Sanierungsschritte auch in Eigenleistung übernehmen?

Wer handwerklich begabt ist, kann natürlich bei einer Sanierung mehr tun als beim Neubau. Ich rate aber trotzdem immer zu einer professionellen Begleitung. Viele Eigentümer sanieren, ohne eine kompetente Beratung. Das birgt Risiken. Werden zum Beispiel die Fenster ausgetauscht und sind plötzlich dicht, passen die Bewohner ihr Lüftungsverhalten oft nicht an. Durch Atemluft und das Bewohnen des Hauses entsteht Feuchtigkeit, die abgeführt werden muss, damit es nicht zu Schimmel kommt. Das vergessen viele. Die beauftragte Fensterfirma hat meistens nur die Fenster im Blick und nicht die Gesamtheit des Hauses. 

Für ein Projekt haben Sie den ETHOUSE Award für energieeffizientes Sanieren bekommen. Sie hatten ein abrissreifes Haus umgestaltet. Was war die zentrale Verbesserung?

Der Bauherr hatte das Haus tatsächlich günstig bekommen. Es stand auf einem großen Grundstück mit Garten – und das mitten in Wien. Eine Seltenheit. Deshalb scheute er den Sanierungsaufwand nicht. Wir haben die Fenster erneuert, das Haus gedämmt, die Haustechnik auf den neuesten Stand gebracht und einen Wintergarten mit viel Glas angebaut, der als Wellnesstempel dient. Es gibt eine Sauna, den Blick ins Grüne, einen Pool im Garten. Die Optik hat sich massiv verändert. Nun sieht es aus wie ein völlig anderes Gebäude.

Vorher
Nachher: Das Haus wurde erweitert.
Sanierung oder Abriss – die Umweltbilanz

CO₂-Emissionen und Ressourceneinsatz

  • Ein Neubau ist in der Regel energieeffizienter im Betrieb.Ein Neubau verursacht aber hohe Emissionen in der Bauphase, vor allem durch die Verwendung von Baustoffen wie Zement und Beton. 

  • Abriss vernichtet oft wiederverwendbare Baustoffe (Beton, Ziegel, Holz).

  • Eine Hochrechnung der Deutschen Umwelthilfe von 2023 zeigt: Eine Sanierung spart rund ein Drittel der CO₂-Emissionen gegenüber Abriss und Neubau.

  • Laut eines Berichts des UN-Umweltprogramms ist die Vermeidung von Neubauten ein wichtiger Ansatz auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Fazit

Sanierung oder Abriss und Neubau – Die Antwort hängt von vielen Aspekten ab – vom Zustand der Wände, des Dachs und der Heizungsanlage über die Kosten bis hin zu den eigenen Bedürfnissen. Wer in eine Haussanierung investiert, verbessert die Wohnqualität und steigert langfristig den Wert der Bestandsimmobilie. Außerdem kann eine Sanierung die Energieeffizienz deutlich erhöhen und den CO₂-Ausstoß verringern.

Mit einem guten Sanierungsfahrplan, der Bestandsaufnahme durch einen Gutachter und fachlicher Unterstützung durch einen Energieberater lässt sich der tatsächliche Sanierungsbedarf realistisch einschätzen. Staatliche Förderungen, Zuschüsse und Fördermöglichkeiten für Dämmung, Heizung oder neue Dacheindeckung erleichtern die Finanzierung. Dennoch ist jede Entscheidung individuell: Für manche Hausbesitzer lohnt sich eine umfassende Renovierung, für andere ein Abriss mit anschließendem Neubau.

Vorher
Nachher. Für diese Sanierung eines 1950-Jahre Hauses erhielt das Architektenbüro den ETHOUSE Award.
Close up of sledgehammer blow on brick, plaster. Workman striking devastating blow at remnants of interoom wall against backdrop of table and other plastered walls.
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