Foto eines alten Herren im schwarzen Anzug mit weißen Haaren, der auf einem Holzstuhl sitzt
Jahrhundertfirmen

Mit 94 auf Expansionskurs: Carl Hansen & Søn

Die Dänen wohnen am schönsten. Ihr Wohnstil wird international als vorbildlich gefeiert. Schon lange vor dem „Hygge”-Hype um die dänische Gemütlichkeit schufen dänische Designer:innen und Möbelmanufakturen Möbelstücke, die zu Klassikern wurden. Einer der renommiertesten Hersteller ist seit 1908 in Familienbesitz.

Lesedauer: 7 Min.

Dänische Designermöbel erobern die Welt

Der dänische Begriff „Hygge” beschreibt ein Lebensgefühl von Gemütlichkeit, Geborgenheit und Wohlbefinden. In den 2010er-Jahren wird „Hygge” zum internationalen Lifestyle-Trend. Auf sozialen Netzwerken treffen Bilder mit Kerzen, Wolldecken, dampfende Teetassen auf eine Sehnsucht nach Wohlbefinden und Entschleunigung. Als Wohnexperten gelten die Dänen aber schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts.

Dänische Architekten und Designer dieser Zeit wie Hans J. Wegner, Arne Jacobsen, Børge Mogensen gestalteten schlichte, funktionale Möbel von zeitloser Schönheit. Der zentrale Werkstoff ist Holz. Ihre Entwürfe werden von heimischen Herstellern wie Carl Hansen & Søn auf hohem handwerklichem Niveau umgesetzt. Wir sprechen mit Knud Erik Hansen, dem Enkel des Gründers, der Carl Hansen & Søn zu einer weltweit bekannten Marke machte.

Er spricht ruhig, klingt bescheiden und doch voller Stolz von seiner Arbeit. Mit 74 Jahren, nach über zwei Jahrzehnten an der Spitze von Carl Hansen & Søn, blickt Knud Erik Hansen zurück auf eine Erfolgsgeschichte, die er selbst maßgeblich geschrieben hat.

100 Jahre erfolgreich wirtschaften

Wirtschaftlicher Erfolg ist vielschichtig und von zahlreichen Faktoren abhängig. Doch wenn ein Unternehmen 100 Jahre und mehr besteht, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Welche Strategien, Werte und Prinzipien tragen zu diesem außergewöhnlichen Erfolg bei?

Die 100-jährige Geschichte von Wüstenrot zeigt eindrucksvoll, dass nachhaltiges Wachstum vor allem durch Kundennähe, kontinuierliche Innovationskraft und ein verantwortungsbewusstes Produktangebot gelingt.

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Im Rahmen unseres Jubiläums möchten wir deshalb gemeinsam mit anderen traditionsreichen Unternehmen aus Österreich und der ganzen Welt den Erfolgsfaktoren auf den Grund gehen. Diese Gespräche geben Einblicke in bewährte Erfolgsrezepte, die Generationen verbinden und den Herausforderungen der Zeit trotzen. 

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Interview mit Knud Erik Hansen

Welche Meilensteine und Wendepunkte hat Carl Hansen & Son in den vergangenen 117 Jahren erlebt?

Wir sind ein Familienunternehmen und der Wechsel von einer Generation zur nächsten war immer eine Herausforderung und erforderte Veränderungen. Ich hoffe aber, dass der nächste Wechsel von der dritten Generation, das bin ich, zur vierten Generation ruhig und reibungslos verlaufen wird.

Mein Großvater, der das Unternehmen 1908 gegründet hat, erkrankte in jungen Jahren an Diabetes und musste in den Ruhestand gehen, sodass mein Vater als sehr junger Mann in das Geschäft einsteigen musste. Davon war er nicht begeistert, da er gern noch mehr gelernt hätte. Nach drei Jahren wurde er Partner und das Unternehmen zu „Carl Hansen & Søn” – der „Sohn“ – das war mein Vater.

 

In den 1950er und 1960er-Jahren erlangt dänisches Möbeldesign internationale Bekanntheit. Knud Erik Hansens Vater Holger ist daran maßgeblich beteiligt. Er betreibt einen Zusammenschluss mehrerer namhafter dänischer Möbelhersteller, um ihre Produkte gemeinsam im Ausland zu vertreiben, vor allem in den Vereinigten Staaten.

Kurz zuvor war Holger Hansen ein für die Zukunft des Unternehmens entscheidender Coup gelungen: Er gewinnt den Architekten und Designer Hans J. Wegner für eine Zusammenarbeit. Er ist einer der wichtigsten Vertreter der dänischen Moderne. Innerhalb eines Jahres entwirft Wegner eine Serie von fünf Stühlen, die alle bis heute produziert werden. Besonders einer davon, der Wishbone Chair (Schlüsselbein-Stuhl), wird zu einer Ikone des dänischen Möbeldesigns.

Wie hat Ihr Vater das Unternehmen geprägt?

Er entpuppte sich als sehr erfolgreicher Geschäftsmann. 1949 knüpfte er eine Freundschaft mit dem Architekten Hans J. Wegner. Das war ein Durchbruch für Carl Hansen & Søn.

Er wollte nicht nur seine eigenen Möbel verkaufen, sondern förderte auch den Export anderer dänischer Produzenten. Das war eine sehr harte Arbeit, er reiste enorm viel, war fast nie zu Hause. 1962 starb er an einem Herzinfarkt – mit nur 50 Jahren.

Ein Herzinfarkt ist etwas Furchtbares, man hat keine Zeit hat, sich zu verabschieden oder sich vorzubereiten. Alles passiert sehr, sehr schnell. Zu dieser Zeit war Carl Hansen & Søn nicht einmal als Kapitalgesellschaft organisiert, sondern ein Ein-Mann-Unternehmen. Und wenn der Inhaber stirbt, stehen am nächsten Tag alle Gläubiger auf der Matte und verlangen ihr Geld zurück, weil sie nicht glauben, dass das Unternehmen weiter bestehen wird.

Fotocredit: Carl Hansen & Søn

Wie hat das Unternehmen diese schwierige Situation bewältigt?

Glücklicherweise hatte mein Vater eine umfangreiche Lebensversicherung abgeschlossen. Mit diesen Mitteln konnte meine Mutter die Gläubiger auszahlen.

Sie stand vor der schwierigen Entscheidung, das Unternehmen zu verkaufen. Zu der Zeit waren mein Bruder und ich noch zu jung, um es zu übernehmen. Meine Mutter fand es traurig, wenn wir nicht zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit dazu hätten.
Also entschloss sie sich, es selbst zu versuchen.

In den 1960er-Jahren galt es für eine Frau noch als unerhört, eine Fabrik zu führen. Die damalige dänische Denkweise war: Man sollte bleiben, wo man ist, sich nicht von seinen Wurzeln wegbewegen. Aber genau das hat sie getan. Sie verlor daraufhin alle ihre Freundinnen – alle. Das war hart für meine Mutter.

Fotocredit: Carl Hansen & Søn

Hatte Ihre Mutter geschäftliche Erfahrung? 

Nein, sie hatte bisher das Leben einer Hausfrau und Mutter geführt. Sie hatte keine kaufmännische Ausbildung und sprach keine Fremdsprachen. Sie ging auf die Möbelmessen und sprach mit Briten oder Amerikanern oder woher auch immer sie kamen - auf Dänisch. Aber sie war sehr enthusiastisch, kannte sich mit Möbeln aus und hatte einen sehr guten Geschmack. Die Leute mochten sie – und kauften bei ihr. Sie führte das Unternehmen etwa 20 Jahre lang. Es wuchs zwar nicht, aber wir überlebten.

Magazin: Die Jahrhundertfirmen

Am 1. Juli erschien in der Kleinen Zeitung eine exklusive Magazin-Beilage: "Die Jahrhundertfirmen – Über 100 Jahre erfolgreich – kein Zufall, sondern Haltung“. Das Magazin entstand in Kooperation mit Wüstenrot und widmet sich der Frage, was Unternehmen langfristig trägt. Es beinhaltet:
Sieben Interviews mit österreichischen und internationalen Unternehmen, die seit über 100 Jahren bestehen.
Gespräche mit einem Wohnhistoriker, einem Zukunftsforscher
Porträts junger, nachhaltig ausgerichteter Firmen wie refurbed oder woom

Haben Sie die Leitung des Unternehmens von Ihrer Mutter übernommen? 

Nein, 1988 übernahm mein Bruder das Geschäft. Er hatte einen komplett anderen Ansatz als ich. Er wollte nicht investieren, er wollte nicht wachsen. Meiner Ansicht nach bedeutete das geringe Überlebensaussichten. Ich wollte da nicht mitmachen. Stattdessen arbeitete ich 22 Jahre in der Containerschifffahrt im Fernen Osten –  Singapur, Hongkong und China – zu der Zeit, als das Land sich gerade öffnete. Das war eine großartige Zeit und eine äußerst wertvolle Erfahrung, denn es ist eine sehr wettbewerbsintensive Branche.

Als ich im Jahr 2002 Carl Hansen & Søn von meinem Bruder übernahm, war es noch genau das gleiche kleine Unternehmen, in dem ich in meiner Jugend herumgelaufen war. Nichts hatte sich geändert.

Fotocredit: Carl Hansen & Søn

Sie haben dann die überfällige Innovation des Unternehmens nachgeholt? 

Das musste ich. Mir war klar, dass ich alles ändern muss, wenn ich überleben wollte. Ich wollte ja auch noch die nächste Generation hereinbringen. Dafür brauchte ich ein Unternehmen, das reibungslos läuft, auf dem neuesten Stand ist und weltweit bekannt ist. Die jungen Leute sind heute so gut ausgebildet, die würden nicht in ein Unternehmen einsteigen, in dem sie ganz von vorne anfangen müssten.

Wir müssen uns den Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs stellen. Dafür brauchen wir eine gewisse Größe. Wir brauchen ein Image und eine gute Marke. Diese Faktoren müssen wir heute berücksichtigen, früher waren die nicht so wichtig.

Durch Veränderungen gewinnen wir Erfahrungen, bekommen die Schwingungen im Unternehmen mit. Du arbeitest mit Leuten zusammen, von denen einige verstehen, was du tust, andere nicht. Und du musst alle motivieren, mitzuziehen. Das ist eine Herausforderung, die mir viel Spaß macht.

Wie hat sich Carl Hansen & Søn unter Ihrer Führung verändert?

Im Jahr 2002 waren wir insgesamt etwa 25 Leute im Unternehmen, heute sind es 500. Wir sind mit kurzen Unterbrechungen jedes Jahr zwischen 17 und 20 Prozent gewachsen. Zu dem einen Stammgeschäft in Kopenhagen kamen 23 Flagship-Stores in europäischen Metropolen, in Asien und in den USA.

Innerhalb eines Jahres haben eine neue, hochmoderne Fabrik von 1.500 Quadratmetern in Betrieb genommen. Doch schon bald erwies sich das Gebäude wieder als zu klein. 2017 kauften wir dann erst einen Teil einer großen bestehenden Fabrik, nach ein paar Jahren den Rest: insgesamt 37.000 Quadratmeter. Hier, dachten wir, könnten wir viele Jahre bleiben. Aber schon nach  zwei, drei Jahren wurde es auch hier zu klein. Wir haben angebaut und heute eine Fabrikfläche von 60.000 Quadratmetern.

Klate Formen und zeitlose Schönheit. Ein Enwutrf des Möbeldesigners Hans J. Wegner / Fotocredit: Carl Hansen & Søn

Die Übergänge von einer Generation zur nächsten waren für Carl Hansen & Søn eine Herausforderung. Gab es auch echte Krisen?

Ja, in den letzten 22 Jahren haben wir gleich zwei Krisen erlebt. Die Finanzkrise traf uns im Jahr 2008, als wir gerade in einer neuen Fabrik arbeiteten. Wir waren schnell expandiert und hatten die modernsten Maschinen gekauft, die man in der Möbelbranche kaufen kann. Das kostet natürlich eine Menge Geld. Unser Kapitalbedarf war groß. In den Jahren 2008/2009 kam es dann zu einem Stillstand.

Auch in den letzten zwei Jahren kam es zu einer Abflachung der Wachstumskurve wegen der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine. Die Unsicherheit beeinflusst viele Menschen mehr, als man denken würden. Sie tätigen keine großen Investitionen, kaufen keine neuen Möbel. Das kann warten, das ist dann zweitrangig. Jetzt sieht es so aus, als würden die Menschen zu einem normalen Leben zurückkehren. Sie gehen wieder in die Möbelhäuser und kaufen ein. Ich hoffe, diese Entwicklung setzt sich fort. 

Welche Bedeutung hat die Geschichte des Unternehmens für Sie?

Die Geschichte ist sehr wichtig. Wir sind ein Unternehmen in Familienbesitz. Ich bin der Letzte, der alle Menschen kannte, die vor mir für das Unternehmen gearbeitet haben.

Wir tun auch viel, um die Geschichte des Unternehmens zu erzählen, damit die Leute sehen: Sie haben es nicht mit einer Maschine zu tun, sondern mit Menschen. Unsere Kunden interessieren sich sehr für die Geschichte des Unternehmens  – und auch die unserer Produkte. Die Möbel, die wir herstellen, sind Klassiker. Unsere Kunden schätzen es, wenn Produkte eine Geschichte haben – das schafft eine besondere Bindung.

Was ist das Erfolgsgeheimnis von Carl Hansen & Søn?

Ich denke, das liegt an der Geschäftsführung durch den Eigentümer – also nicht von jemandem, der seinen Job kündigen und weglaufen kann. Der Eigentümer bleibt im Unternehmen und gibt sein Bestes, ob es gut läuft oder schlecht. Du willst nicht derjenige sein, der aufgibt. Wenn man ein wenig über die Geschichte von Carl Hansen & Søn weiß, ist man stolz darauf, dass es uns noch gibt. Und deshalb bin ich nicht derjenige, der aufhört. Ich übergebe das Unternehmen an die nächste Generation. Und die macht dann mit einer frischen Perspektive weiter. 

Die nächste Generation steht also schon bereit?

Ja, mein jüngster Sohn ist seit November 2024 im Unternehmen. Er ist 30 Jahre alt, hat eine gute Ausbildung und auch schon geschäftliche Erfahrungen. Er freut sich auf die Herausforderung. Ich sehe den Ruhestand am Ende des Tunnels, ich bin 74, es wird also Zeit.

Knud Erik Hansen / Fotocredit: Carl Hansen & Søn

Sie haben von den unterschiedlichen Charakteren derjenigen erzählt, die das Unternehmen geführt haben. Gibt es noch etwas, das sich über all die Jahrzehnte und Epochen bis zum heutigen Tage durchzieht?

Ja, und zwar Qualität. Wer von Dänemark aus auf dem Weltmarkt Erfolg haben möchte, muss höchste Qualität bieten, Qualität und Design. Die wenigen dänischen Anbieter, die im eigenen Land produzieren, sind weltbekannt. Es ist wie mit Schweizer Uhren. Eine Schweizer Uhr, die in China hergestellt wird, ist eben keine Schweizer Uhr.

Und welche Lehren geben Sie Ihrem Sohn für dessen zukünftige Arbeit mit auf den Weg?

Arbeite hart, gehorche dem Markt und gib nicht mehr aus, als du einnimmst.

Carl Hansen & Søn Møbelfabrik

Unternehmen: Carl Hansen & Søn Møbelfabrik A/S

Gegründet: 1908

Zentrale: Carl Hansen & Søn Møbelfabrik A/S, Hylkedamsvej 77, 5591 Gelsted, Dänemark

Standorte: 24 Flagshipstores

Zahl der Mitarbeitenden: 500

Webseite: www.carlhansen.com

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