Strom und Wärme – diese beiden Konstanten ziehen sich durch die Geschichte von Stiebel Eltron. Der feste Glaube an die Wärmepumpe zahlte sich für das deutsche Unternehmen erst nach Jahrzehnten aus.
„Immer heißes Wasser“ – der von einer Frauenstimme gehauchte Slogan, während im Bild eine duschende Dame zu sehen ist, sorgte in den 70er Jahren für Aufsehen im deutschen Fernsehen. Tatsächlich bestimmt heißes Wasser über Jahrzehnte die Produktpalette von Stiebel Eltron. Es begann 1924 mit einem einzigen von Theodor Stiebel entwickelten Produkt. Mit seinem Tauchsieder, der schnell wieder abkühlte, ließ sich heißes Wasser wesentlich komfortabler und vor allem sicherer als zuvor zubereiten.
Heute beschäftigt das im niedersächsischen Holzminden angesiedelte Unternehmen 5.000 Mitarbeitende und produziert weitgehend in Deutschland. Bis heute ist Stiebel Eltron über zwei Stiftungen im Besitz der Familie des Unternehmensgründers. Die Familie ist jedoch nicht ins operative Geschäft eingebunden.
Wir sprachen mit dem Österreicher Dr. Christian Herbinger, 50, MBA, der bei Stiebel Eltron seit 2024 Regionaldirektor der DACH-Region ist, also für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Wirtschaftlicher Erfolg ist vielschichtig und von zahlreichen Faktoren abhängig. Doch wenn ein Unternehmen 100 Jahre und mehr besteht, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Welche Strategien, Werte und Prinzipien tragen zu diesem außergewöhnlichen Erfolg bei?
Die 100-jährige Geschichte von Wüstenrot zeigt eindrucksvoll, dass nachhaltiges Wachstum vor allem durch Kundennähe, kontinuierliche Innovationskraft und ein verantwortungsbewusstes Produktangebot gelingt.
Im Rahmen unseres Jubiläums möchten wir deshalb gemeinsam mit anderen traditionsreichen Unternehmen aus Österreich und der ganzen Welt den Erfolgsfaktoren auf den Grund gehen. Diese Gespräche geben Einblicke in bewährte Erfolgsrezepte, die Generationen verbinden und den Herausforderungen der Zeit trotzen.
Dr. Christian Herbinger, Sie sind ja erst drei Jahre im Unternehmen, wir hoffen, Sie können uns trotzdem etwas zur Entwicklung von Stiebel Eltron in den zurückliegenden 101 Jahren sagen.
Christian Herbinger: Ich denke schon, wenn man von außen kommt, bringt man ja einen frischen Blick mit. Ich war vorher bei einem größeren Mitbewerber und bin ganz bewusst zu Stiebel Eltron gewechselt, weil das für mich immer schon ein Wunschunternehmen mit einer tollen Ausstrahlung war – wegen der Produkte, wegen seiner Geschichte und weil es ein Familienunternehmen ist.
Was waren denn in der Geschichte von Stiebel Eltron die wichtigsten Meilensteine und Wendepunkte?
Nach dem Start mit dem Tauchsieder 1924 kam der nächste wichtige Schritt schon nach drei Jahren mit dem Durchlauferhitzer.
Danach kamen erst einmal schwierige Zeiten – die Weltwirtschaftskrise nach 1929, dann der Krieg. Das Werk in Berlin wurde stark zerstört, deshalb wurde schon während des Krieges ein neues Hauptwerk in Holzminden gebaut. Da wurde nach dem Krieg mit dem Fokus auf Haushaltsgeräte wieder losgelegt.
Sehr wichtig war dann die Ölkrise in den 1970er-Jahren. Da hat man gesehen, dass Öl nicht unbedingt immer verfügbar ist, sehr teuer werden kann und dass die Ölvorräte endlich sind.
Und Stiebel Eltron hat darauf mit Pioniergeist reagiert und schon vor 50 Jahren die Wärmepumpe entwickelt. Weil man sich überlegt hat, wie kann ich, ohne von einer Gasleitung oder einem Öltank abhängig zu sein, mit vorhandenen Energiequellen umweltfreundlich Wärme erzeugen. Das war sehr weitsichtig. Auch Sonnenkollektoren für Solarthermie haben wir damals gemacht.
Der nächste Meilenstein in der Warmwasserbereitung war 1987 der erste vollelektronische Durchlauferhitzer der Welt, der sehr effizient war.
Im Jahr 1999 wieder eine Innovation: die Luftwärmezentrale LWZ. Ein großer Würfel, schaut aus wie ein Schrank und da ist in einem Gerät alles drin, was du in einem Gebäude brauchst: Wärme über eine Wärmepumpe, Lüftung und Warmwasser. Und das strombetrieben, ohne fossile Energie.
Und kam das auch gut an am Markt?
Ja, das war ein Riesendurchbruch. Die LWZ wird ja laufend weiterentwickelt und ist nach wie vor im Portfolio. Hausbauer wollen nicht 14 Lösungen und fünf Ansprechpartner, sondern eine kompakte Geschichte, einen Ansprechpartner und einen Service dahinter, der sich auch auskennt. So haben wir es geschafft, die Wärmepumpe beim Neubau von Einfamilienhäusern massiv nach vorne zu bringen, obwohl die Zeit um die Jahrtausendwende keine Hochzeit für die Wärmepumpe war.
Der große Erfolg, den wir als Hersteller von Wärmepumpen heute haben, fußt auf dem Erfolg dieses Produkts.
Sehr stolz sind wir auf die Gründung unseres Energy Campus in Holzminden im Jahr 2015. Das ist ein Schulungszentrum in einem Plusenergiegebäude. Dort sind unsere Geräte ausgestellt, die kann man dort zerlegen und den Einbau üben. Wir wollen Fachhandwerker, Hausverwaltungen, Immobilienentwickler, Installateure aufschlauen, damit sie möglichst viel Freude an unseren Produkten haben.
Letzter Punkt: Im Jahr 2022 haben wir die Milliarden-Umsatzgrenze durchbrochen.
Wie wurden Krisen und Herausforderungen bei Stiebel Eltron gemeistert?
Nicht aufgeben, Rückschläge akzeptieren, aufstehen und weitermachen, dranbleiben, sich auf die eigenen Stärken konzentrieren. Das hat schon Theodor Stiebel nach dem Krieg gezeigt, als er mit 60 Mitarbeitern am neuen Standort wieder loslegte. Stiebel Eltron hatte auch immer wieder das Ohr am Markt, hat neue Chancen gesehen, hat gesehen, was gebraucht wird.
Eine wichtige Rolle spielt, dass Stiebel Eltron ein Familienunternehmen ist. Ein Familienunternehmen ist einfach anders als ein börsennotiertes Unternehmen. Es denkt langfristig, achtet auf die Vision, auf die Unternehmens-DNA, akzeptiert auch mal einen Rückschlag.
So waren die 1980er und 1990er-Jahre echt schwierig für das Unternehmen, aber es gab ein großes Commitment der Familie: Wir machen natürlich weiter.
Was sehen Sie für Ihr Unternehmen als größte Herausforderungen in der Zukunft?
Ein spannendes Thema sind die Lieferketten. Es gab die große Globalisierungswelle, dann haben wir nach Corona erlebt, dass Dinge auf einmal nicht mehr so verfügbar sind, wie wir sie brauchen. Und jetzt verändert sich die geopolitische Lage.
Die Wärmepumpe ist ein mega-komplexes Hightech-Gerät, für das viele Bauteile aus unterschiedlichen Regionen gebraucht werden. Da sollte man überlegen, das ein oder andere Bauteile nicht nur aus einer schwierigen Region zu beziehen, sondern vielleicht auch von einem zweiten Anbieter in Europa.
Dann gibt es die Herausforderung durch Billiganbieter aus Asien, die mit minderwertigen Produkten auf den Markt kommen. Wir dagegen sind ein Premiumanbieter, wir produzieren in Europa und setzen auf hochwertige Produkte mit einer langen Lebensdauer.
Und wir haben den Fachkräftemangel, die Anzahl und aber auch die Qualifikation der Installateure, der Hände, die unsere Geräte dann verschrauben. In den letzten Monaten gab es oft Engpässe. Es waren zu wenige Fachkräfte am Start, um dem Bedarf gerecht zu werden.
Welchen Stellenwert hat Tradition im Unternehmen?
„Wenn ich weiß, wo ich herkomme, dann weiß ich auch, wo ich hingehe“ – Das wird im Unternehmen gelebt. Letztes Jahr haben wir ja das 100. Jubiläum begangen, denn 1924 ging es mit Dr. Theodor Stiebel los. Da wurde die Geschichte auch immer wieder erzählt, das fand ich spannend.
Stiebel Eltron ist ein Familienunternehmen, in dem man die Tradition spürt und sieht – ganz praktisch in Person von Dr. Ulrich Stiebel, einem der beiden Söhne des Gründers. Die Führung überlässt er dem Management. Aber er ist bei Tagungen dabei, ist der gute Geist des Unternehmens, der auch mal anruft. Das ist schon speziell und auch cool, muss ich sagen, dass der menschlich und greifbar ist: Also das ist der Herr, der den Firmennamen trägt. Das hat man nicht überall.
Auch unser Mission Statement ist ein Teil der Tradition: „Technik zum Wohlfühlen“. Das leben wir. Es geht um Grundbedürfnisse: Raumwärme, Warmwasser, gute Luft.
Gibt es eine Konstante in der Unternehmenskultur, die sich durch die 90 Jahre der Geschichte von Stiebel Eltron durchzieht?
Da ist der Fokus auf innovativen Techniken und Strom, die Nutzung von Strom als saubere Energie für die Erzeugung von Wärme. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Unternehmensgeschichte, ist bis heute die Antriebskraft all unseres Tuns und unserer Produkte. Heute heißt „sauber“, dass erneuerbare Energiequellen für die Stromproduktion genutzt werden. Wir wollen ganz pragmatisch, unpolitisch und lösungsorientiert das Thema Nachhaltigkeit voranbringen.
Das Miteinander ist wichtig. Stiebel Eltron ist auch insofern ein Familienunternehmen, dass in Holzminden oft mehrere Familienmitglieder über die Generationen hinweg für das Unternehmen arbeiten. Es gibt eine Tonaufnahme vom Gründer, wo er in einer kleinen Rede an die Mitarbeiter:innen den schönen Satz sagt: Glauben Sie mir, die Geschäftsleitung tut alles dafür, dass es dem Unternehmen gut geht und auch, dass es ihnen gut geht. Wir arbeiten wirklich alle daran, dass es dem Unternehmen gut geht. Diese Unternehmenskultur ist noch heute da. Auch wenn wir wachsen, versuchen wir die kurzen Wege zu erhalten, dass Probleme auch angesprochen werden können. Unser aktueller CEO sagt beispielsweise: Wir produzieren auch deswegen in Deutschland, als letzter Wärmepumpenhersteller übrigens, weil hier die Menschen eine gute Ausbildung haben und weil sie auch den Mut haben, ihn anzusprechen.
Beispielsweise, wenn er mal in der Fertigung ist und ihm jemand sagt: „Sie sagen uns, wir sollen das so machen, –aber ganz ehrlich, anders wäre es besser.“
Die Leute haben ein hohes Verantwortungsgefühl und eine hohe Lösungskompetenz auch über ihren eigentlichen Aufgabenbereich hinaus. Das findet man in anderen Ländern oft nicht.
Welche Rolle spielt Innovation bei Stiebel Eltron?
Als kleines Unternehmen, das wir lange waren und eigentlich immer noch sind, müssen wir innovativ und schnell sein. Stiebel Eltron ist es über die Jahrzehnte immer gelungen, bei Produkten und Techniken Vorreiter zu sein, immer einen kleinen Vorsprung zu haben. Wir haben früh erkannt, dass die Wärmepumpe Zukunft hat und an ihr festgehalten, auch wenn es streckenweise nicht so gut lief. Das war sehr vorausschauend.
Heute arbeiten wir mit dem Fraunhofer-Institut zusammen an KI-Lösungen für das Energiemanagement in Gebäuden. Inzwischen gibt es ja variable Stromtarife mit je nach Uhrzeit unterschiedlichen Preisen. Die werden in die KI eingespeist, die entsprechend alle 15 Minuten die Heizkurve anpasst. So können Einsparungen von 20 bis 25 Prozent erzielt werden. Das ist bei uns in der Entwicklung.
Unternehmen: Stiebel Eltron GmbH & Co. KG
Gegründet: 1924
Zentrale: Stiebel Eltron GmbH & Co. KG, Dr.-Stiebel-Straße 33, 37603 Holzminden
Standorte: fünf nationalen und vier internationalen Produktionsstätten, 26 Vertriebsgesellschaften, 120 Vertriebsorganisationen und Vertretungen weltweit
Zahl der Mitarbeitenden: 5.000 Mitarbeiter
Webseite: www.stiebel-eltron.de