Ein Jahrhundert Verlagsgeschichte zeigt, wie eng ein Unternehmen mit den Entwicklungen in Wirtschaft, Recht und Gesellschaft verbunden ist. Inhaltliche, technologische und strukturelle Veränderungen haben den Weg des Linde Verlags geprägt und gleichzeitig die Fähigkeit gefordert, beständig zu bleiben und seine Produkte zeitgemäß anzupassen – Eigenschaften, die das Unternehmen bis heute auszeichnen.
Der Linde Verlag zählt zu den führenden Verlagen in den Bereichen Steuer, Wirtschaft und Recht in Österreich und steht für Fachkompetenz, Innovation und Zuverlässigkeit. Sein heutiger Erfolg ist das Ergebnis einer spannenden Entwicklung, die vor genau 100 Jahren begann:
1925 gründeten Paul Linde und Hans Jentzsch den Wiener Industrieverlag Spaeth & Linde. Noch im selben Jahr erschien die erste Österreichische Steuer- und Wirtschaftszeitung, die sich rasch als vertrauenswürdige Informationsquelle etablierte. Über ein Jahrhundert hinweg dokumentierte sie Entwicklungen, regte neue Diskurse an und begleitete bis heute das österreichische Steuerrecht als führende Publikation.
1979 legte der Kodex Steuergesetze den Grundstein für eine neuartige Reihe von Gesetzessammlungen, die von Univ.-Prof. Dr. Werner Doralt entwickelt wurden und den Alltag zahlreicher Jurist:innen und Steuerexpert:innen prägen. Zwei Jahrzehnte später, 1998, startete der Verlag mit dem ersten Seminar der Linde BildungsForum GmbH, aus dem der heutige Linde Campus hervorging. Über diese Plattform für Wissenstransfer und Austausch finden jährlich rund 300 Veranstaltungen statt.
Mit dem digitalen Wandel schlug der Verlag ein neues Kapitel der Wissensvermittlung auf: Seit 2009 sind die Fachinhalte zunehmend online verfügbar – zunächst über Lindeonline, heute über LinDa. Die Plattform hat sich zu einer zentralen Anlaufstelle für Recherchen in Bibliotheken, einzelne Fachbücher und Zeitschriften entwickelt und richtet sich speziell an Steuerberater:innen, Wirtschaftsprüfer:innen, Rechtsanwält:innen, Universitäten und öffentliche Institutionen.
In den vergangenen Jahren hat der Verlag sein Angebot kontinuierlich um digitale Innovationen erweitert. Mit dem Podcast zu aktuellen Rechtsthemen seit 2021 und der App MeiMarie, die seit 2023 Arbeitnehmerveranlagungen einfacher und rechtssicher macht, hat der Verlag zeitgemäße Lösungen für die Praxis und Bedürfnisse der Kund:innen geschaffen. Ein weiterer großer Meilenstein ist live gegangen: Seit Herbst 2025 steht LinDa KI – eine fachspezifische Rechercheassistenz – in der Beta-Version zur Verfügung und gestaltet den Zugang zu Wissen noch einfacher und effizienter. Damit zeigt der Linde Verlag, wie Tradition und langjährige Expertise Hand in Hand mit Innovation und modernen Formaten gehen können.
Herr Kornherr, Ihr Unternehmen feiert heuer ebenfalls sein 100-jähriges Bestehen. Welche Bedeutung hat die eigene Unternehmensgeschichte für die Entwicklung des Unternehmens und was bedeutet dieses Jubiläum für Sie?
100 Jahre Verlagsgeschichte – das lässt uns nicht nur auf viele spannende Entwicklungen zurückblicken, sondern auch an einzelne bewusste Weichenstellungen erinnern, die den Verlag zu dem gemacht haben, was er heute ist: ein verlässlicher Partner für Fachwissen in Steuern, Wirtschaft und Recht. In dieser Zeit haben wir nicht nur neue Formate und Publikationen entwickelt, sondern uns auch laufend den Veränderungen der Branche gestellt.
Gerade Herausforderungen wie die Finanzkrisen oder die Corona-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig Flexibilität und Teamgeist sind. So kam es während der Finanzkrise 2008/2009 vor allem im Veranstaltungsbereich zu deutlichen Einbrüchen. Wir haben unsere Programmentscheidungen damals gezielter getroffen und interne Prozesse gestrafft, ohne dabei Personal abzubauen. Eine ganz andere Dynamik brachte die Corona-Pandemie. Auch hier waren Präsenzveranstaltungen stark betroffen, doch wir konnten rasch auf digitale Formate umsteigen, da wir mit dem Linde Campus bereits ein funktionierendes Webinar-Angebot etabliert hatten und schnell skalieren konnten. Diese Erfahrungen haben uns gezeigt, dass Krisen nicht nur Prüfsteine, sondern auch Impulse für langfristige Neuausrichtungen sind – das war und ist eine unserer größten Stärken.
Welche Rolle spielt lange Tradition für die Weiterentwicklung – und wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Bewährtem und Zukunftsausrichtung?
Tradition und Weiterentwicklung greifen bei uns ineinander. Unsere Werte und Erfahrungen prägen uns bis heute. Von Anfang an standen Qualität, Praxisnähe und eine enge Zusammenarbeit mit Autor:innen, Mitarbeiter:innen und Partnern im Mittelpunkt – das ist ein roter Faden, den wir bis heute nicht verloren haben. Gleichzeitig hat sich die Welt des Publizierens verändert: Das gedruckte Buch bleibt wichtig, der haptische Faktor wird geschätzt, aber die Auflagen sinken und digitale Produkte gewinnen an Bedeutung. Entscheidend ist, dass der Inhalt unser eigentliches Kapital bleibt – die Art, wie wir Wissen zugänglich machen, entwickelt sich aber laufend weiter. KI spielt dabei eine große Rolle, und mit der Beta-Version unserer LinDa KI gehen wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung.
Ihr Unternehmen ist im Verlagswesen tätig. Wie kann man sich denn als Laie die Reise eines neuen Werks vorstellen? Wie lang dauert es, bis ein Buch von der Skizze bis zum Regal einer Buchhandlung gelangt?
Der Weg eines Fachbuchs kann ganz unterschiedlich beginnen: Manchmal entwickeln wir im Verlag gezielt Themen und suchen die passenden Expert:innen dazu. In anderen Fällen tragen Autor:innen ihre eigenen Ideen oder fertigen Manuskripten an uns heran. In jedem Fall gilt: Professionalität steht an erster Stelle, denn wir wollen der Praxis fundierte Fachliteratur an die Hand geben.
Bis ein Buch schließlich in der Buchhandlung steht, durchläuft es mehrere Stationen: von der Konzeption und Vertragserstellung über die Manuskriptabstimmung und das inhaltliche sowie sprachliche Lektorat bis hin zu Layout, Cover, Druck und digitaler Veröffentlichung, alles in engem Austausch mit den Auto:innen selbstverständlich. Mit dem fertigen Buch endet die Reise noch nicht – erst durch die Vermarktung über Fachmedien, Social Media oder Veranstaltungen findet es seinen Weg zur Leserschaft. Bei Zeitschriften ist der Ablauf ähnlich, nur viel straffer getaktet, da sie in regelmäßigen Erscheinungszyklen produziert werden. Das macht die Zusammenarbeit sehr dynamisch und routiniert.
Die Gesamtdauer variiert je nach Projektumfang und Thema. In der Regel benötigen wir für ein Buchprojekt mindestens 12 Monate – von der ersten Idee bis zum fertigen Buch im Regal. Umfangreichere Projekte mit großen Autor:innenteams können bis zur Drucklegung sogar bis zu drei Jahren dauern, wobei die Bearbeitung im Haus selbst (Lektorat, Satz und Druck) in der Regel zwei Monate in Anspruch nimmt. Die restliche Zeit benötigen unsere Autor:innen für die tatsächliche Schreibarbeit, was zeigt, wieviel harte Arbeit sie in ihre Manuskripte stecken.
Über welche Kanäle erreichen Sie Ihre Kund:innen – und welchen Stellenwert hat in der digitalen Zeit der persönliche Kontakt?
Wir verfolgen bewusst einen breiten Vertriebsansatz: Unsere Bücher und Zeitschriften sind im Buchhandel, über Großhändler und Plattformen erhältlich. Gleichzeitig setzen wir stark auf den direkten Vertrieb und unseren eigenen Linde Shop. Im digitalen Bereich arbeiten unsere Key Account Manager eng mit Unternehmen und Institutionen zusammen. Besonders wichtig ist für uns immer der persönliche Austausch mit unseren Kund:innen. Gerade in der digitalen Zeit schätzen viele diesen Kontakt noch mehr, weil er Vertrauen schafft und wir dadurch frühzeitig Anforderungen erkennen und mit individuellen und neuartigen Lösungen reagieren können.
Wirtschaftlicher Erfolg ist vielschichtig und von zahlreichen Faktoren abhängig. Doch wenn ein Unternehmen 100 Jahre und mehr besteht, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Welche Strategien, Werte und Prinzipien tragen zu diesem außergewöhnlichen Erfolg bei?
Die 100-jährige Geschichte von Wüstenrot zeigt eindrucksvoll, dass nachhaltiges Wachstum vor allem durch Kundennähe, kontinuierliche Innovationskraft und ein verantwortungsbewusstes Produktangebot gelingt.
Im Rahmen unseres Jubiläums möchten wir deshalb gemeinsam mit anderen traditionsreichen Unternehmen aus Österreich und der ganzen Welt den Erfolgsfaktoren auf den Grund gehen. Diese Gespräche geben Einblicke in bewährte Erfolgsrezepte, die Generationen verbinden und den Herausforderungen der Zeit trotzen.
Worauf legt der Linde Verlag besonders wert? Was wird aus Ihrer Sicht häufig unterschätzt?
Für uns zählt vor allem, dass die Inhalte hochwertig sind und einen echten Praxisbezug in der Aufbereitung haben. Darüber hinaus hat bei uns Diversität einen großen Stellenwert: So besteht unser Autor:innenkreis zu rund der Hälfte aus Frauen, und wir fördern gezielt den juristischen Nachwuchs, indem wir jungen Expert:innen früh größere Projekte anvertrauen. Der respektvolle, enge Austausch sorgt zudem dafür, dass viele Autor:innen dem Verlag langfristig verbunden bleiben. Was dabei oft unterschätzt wird, ist der Zeitfaktor. Ein Fachbuch entsteht nicht von heute auf morgen – vor allem der Feinschliff im Lektorat braucht Geduld und Sorgfalt, bis ein Manuskript wirklich rund und für die Leserschaft gewinnbringend ist.
Wie verändern sich die Bedürfnisse Ihrer Kund:innen – und welche Rolle spielt Innovation bei der Entwicklung neuer Angebote?
Natürlich nehmen wir eine klare Entwicklung in Richtung digitaler Formate wahr, auch wenn es immer noch viele Leser:innen gibt, die ein haptisches Buch oder gedruckte Zeitschrift bevorzugen. Andere arbeiten hingegen fast ausschließlich digital. Deshalb bieten wir viele Inhalte sowohl gedruckt als auch digital an – oft sogar in Kombination. Darüber hinaus setzen wir uns eng mit den einzelnen Berufsfeldern unserer Zielgruppen auseinander und beschäftigen uns mit der Frage, wie diese in Zukunft arbeiten bzw. ihr Wissen konsumieren werden. So entstehen neue Lernwelten und Formate wie Podcasts, durch die wir die Inhalte noch erlebbarer gestalten können – und die auch stark nachgefragt werden.
Innovation ist also definitiv entscheidend: Sie bedeutet für uns, den Arbeitsalltag unserer Kund:innen zu erleichtern – sei es durch digitale Datenbanken, Apps oder neue Geschäftsmodelle, die wir 2026 auf den Markt bringen werden. Dafür haben wir eigene Ideen-Wettbewerbe eingeführt und konnten daraus schon erfolgreiche Projekte umsetzen. Was konstant bleibt, ist die Nachfrage nach aktueller, qualitativer Fachinformation, wobei die Prägnanz eine wichtige Rolle spielt.
Wenn Sie an die Zukunft denken: Was sind für Sie die größten Herausforderungen?
Die Geschwindigkeit des technologischen Wandels ist enorm, die Komplexität der Projekte nimmt zu. Datenqualität, IT- und KI-Projekte, steigende Kosten und die Frage, wie wir die besten Talente gewinnen und halten können, sind große Themen. Gleichzeitig spielt Nachhaltigkeit für uns eine wichtige Rolle – mit unserem Green Team setzen wir hier schon jetzt konkrete Maßnahmen um.
Wenn Sie auf die letzten 100 Jahre zurückblicken, was ist aus Ihrer Sicht der Schlüssel zum Erfolg? Welchen Ratschlag würden Sie anderen Menschen erteilen, die heute ein Unternehmen gründen?
Zunächst einmal: Mut haben, Neues auszuprobieren. Eine digitale Vision für übermorgen. Innovative Ansätze sind entscheidend – auch wenn nicht jede Idee sofort mit Begeisterung gefeiert wird. Wichtig ist, Investitionen und Businesspläne ernsthaft zu prüfen und nur dort zu investieren, wo echter Bedarf besteht. Noch wichtiger sind allerdings die Beziehungen zu den Menschen. Engagierte Mitarbeiter:innen sind das wertvollste Kapital. Deshalb sind Bindung, Weiterbildung und eine offene Unternehmenskultur unverzichtbar. Darüber hinaus helfen Netzwerke, Kooperationen und Partnerschaften, um Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und gemeinsam zu wachsen.
Und manchmal braucht es einfach Durchhaltevermögen: Vor rund 20 Jahren hatten wir die Idee für ein Buchprojekt in Zusammenarbeit mit einem Fernsehsender. Die Redaktion war zunächst komplett dagegen, aber wir hielten an der Idee fest, sammelten Argumente und konnten sie schließlich überzeugen. „(K)ein Pfusch am Bau“ wurde ein Riesenerfolg – zigtausendfach verkauft, fester Bestandteil einer TV-Sendung und inzwischen in der vierten Auflage. Das ist für uns die schönste Bestätigung: Es lohnt sich, an gute Ideen zu glauben, auch wenn sie anfangs auf Gegenwind stoßen.
Zusammenfassend würde ich sagen, erfolgreich bleiben kann man nur, wenn man auf ein starkes Fundament bauen kann: loyale Mitarbeiter:innen, langjährige Beziehungen zu Autor:innen und Partner:innen, kurze Entscheidungswege als Familienunternehmen und die Leidenschaft, Neues auszuprobieren. Diese Mischung aus Verlässlichkeit und Neugier ist es, die uns seit 100 Jahren trägt – und uns auch für die Zukunft stark macht.
Unternehmen: Linde Verlag Ges.m.b.H.
Gegründet: 1925
Firmensitz: Scheydgasse 24, 1210 Wien
Zahl der Mitarbeitenden: 109
Webseite: www.lindeverlag.at