Wie sich ein Gewerbe entwickeln kann, zeigt die Unternehmensgeschichte von Sturmayr Coiffeure: Vom Bader, der auch Zähne zog, bis zum heutigen modernen Salon machte das Familienunternehmen jede Entwicklung mit und schaffte mit Mut zur Innovation den Wandel. Geschäftsführer Christian Sturmayr erzählt im Interview von herausfordernden Zeiten, innovativen Ideen und jenen Momenten, wo beides zusammentrifft.
Waschen, Schneiden, Föhnen – drei Wörter, die eine kleine Wellness-Auszeit vom Alltag versprechen. Denn ein Friseurbesuch ist für viele mehr als ein bloßer Haarschnitt. Er ist kurzes Innehalten, ein Moment für sich selbst. Der Besuch beim Friseur ist „Me-Time“. Dass sich das über die lange Geschichte des Friseurgewerbes hinweg kaum verändert hat, wird auch an der über 100-jährigen Firmentradition von Sturmayr Coiffeure deutlich: Gegründet 1918 in Seekirchen, übersiedelte der Salon in den 1940er-Jahren in die Salzburger „Volksgartensauna.“ In dem kleinen Anbau war kaum Platz für die vielen Kund:innen – und so bildete sich eine lange Schlange vor dem Betrieb, um sich eine damals moderne „Amerikanische Dauerwelle“ machen oder den Bart trimmen zu lassen.
Technische Errungenschaften veränderten im Laufe der Zeit das Friseurgewerbe nachhaltig – ebenso wie diverse Modetrends. Ob Dauerwelle, Bob, Fokuhila oder Extensions –im Kern stehen jedoch immer die Wünsche der Kund:innen. Denn genau das macht den Friseurbesuch so besonders: Man lehnt sich zurück, plaudert mit dem Friseur oder der Friseurin seines Vertrauens und lässt den Alltag vor der Tür. Dafür braucht es neben fachlichem Können viel soziales Fingerspitzengefühl, wie Christian Sturmayr im Interview erzählt. Aber auch über Herausforderungen, Chancen und die zentrale Rolle der Mitarbeiter:innen spricht der Geschäftsführer von Sturmayr Coiffeure.
Wirtschaftlicher Erfolg ist vielschichtig und von zahlreichen Faktoren abhängig. Doch wenn ein Unternehmen 100 Jahre und mehr besteht, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Welche Strategien, Werte und Prinzipien tragen zu diesem außergewöhnlichen Erfolg bei?
Die 100-jährige Geschichte von Wüstenrot zeigt eindrucksvoll, dass nachhaltiges Wachstum vor allem durch Kundennähe, kontinuierliche Innovationskraft und ein verantwortungsbewusstes Produktangebot gelingt.
Im Rahmen unseres Jubiläums möchten wir deshalb gemeinsam mit anderen traditionsreichen Unternehmen aus Österreich und der ganzen Welt den Erfolgsfaktoren auf den Grund gehen. Diese Gespräche geben Einblicke in bewährte Erfolgsrezepte, die Generationen verbinden und den Herausforderungen der Zeit trotzen.
Sturmayr Coiffeure gibt es seit 107 Jahren. Was waren die großen Meilensteine der Unternehmensgeschichte?
Wenn ein Unternehmen wie unseres über mehrere Generationen besteht, gibt es viele Wendepunkte. Als wir nach dem Zweiten Weltkrieg von Seekirchen nach Salzburg expandierten, waren wir von offizieller Seite nicht willkommen. Es war damals nicht so einfach, einen Salon aufzusperren, denn man benötigte eine besondere Genehmigung, um Dauerwellen machen zu dürfen. Mein Großvater musste dafür kämpfen.
Wir haben eher klein gestartet und im Laufe der Zeit sukzessive erweitert. Mein Großvater hatte schon vier Salons, mein Vater hat weitere eröffnet und bei sieben Salons bin ich ins Unternehmen eingestiegen. Innerhalb von zehn Jahren kamen weitere 13 dazu – damit stieg auch die Mitarbeitendenzahl von 100 auf 240.
Gab es auch Krisen? Wie hat Ihr Unternehmen diese gemeistert?
Seit ich im Unternehmen bin, waren besonders die letzten fünf Jahre unternehmerisch fordernd – vor allem die Zeit von Corona und Post-Corona. Aktuell sind die Lohnnebenkosten die größte Herausforderung, weil sie in den letzten drei bis vier Jahren um 30 Prozent gestiegen sind. Das können wir nicht an die Kund:innen weitergeben.
Aber auch die Suche und Ausbildung von qualifiziertem Personal ist schwieriger geworden. Verglichen mit der Situation vor zehn Jahren, gibt es heute nur noch ein Zehntel des Personals. Viele Betriebe bilden auch gar nicht mehr aus, sie können sich nicht einmal mehr Lehrlinge leisten. Deshalb haben wir eine eigene Akademie gegründet.
Gibt es Werte, Strategien oder Herangehensweisen, die Sie bis heute beibehalten haben?
Wir haben zwar einen traditionellen Hintergrund, setzten aber auch immer auf Innovationen: Die Digitalisierung haben wir beispielsweise schon früh vorangetrieben. Und mein Vater führte Frisur-Techniken ein, die es noch nicht in Salzburg oder Österreich gab – wie zum Beispiel Haarverlängerungen. Wir waren einer der ersten Friseure, der diese anbot.
Der Name Sturmayr steht außerdem nie für nur eine zentrale Person, sondern für alle unsere Mitarbeitenden und Partner:innen. Das Team ist immer das Wichtigste.
Wie sieht in Ihrem Unternehmen das Zusammenspiel zwischen Tradition und Zukunftsausrichtung aus?
In einem Familienunternehmen wie unserem sind Werte natürlich wichtig, aber es braucht auch viel Raum für Innovation. Sonst wird man überholt. Es geht dabei nicht nur um neue Techniken oder Tools. Innovation ist auch, wenn jede:r die Möglichkeit hat, sich weiterzuentwickeln.
Als Unternehmen muss man sich immer neu denken, weiterentwickeln und darf nicht stehenzubleiben. Das heißt auch, dass man Neuerungen laufend adaptieren muss. Das passiert heute viel schneller als noch vor 10 bis 20 Jahren, als man für Innovation noch Zeit hatte. Heute ist es wichtig, konsequent auf etwas zu setzen, es durchzuziehen und sicher in die Zukunft zu tragen.
Die meisten, die in unserer Branche arbeiten, sind sehr kreativ und müssen manchmal bei Neuerungen erst überzeugt werden. Bei der Digitalisierung gab es zum Beispiel von mehreren Seiten viele Gegenargumente. Doch da darf man als Unternehmer:in nicht kleinbeigeben oder sich verunsichern lassen und muss vorausschauend handeln. Man braucht eine klare Strategie für die Zukunft und muss bestimmt vorausgehen.
Wie gelingt das?
In dieser Hinsicht waren die letzten fünf Jahre bezeichnend: Als wir beim ersten Corona-Lockdown schließen mussten, hatten wir keine Ahnung, wie es weitergehen würde. Friseur:innen waren zum Glück unter den Ersten, die wieder öffnen durften – allerdings nur für getestete Kund:innen. Es gab aber noch keine Teststraßen und deshalb bauten wir unsere eigene auf, die alle nutzen konnten. Wir durften damals zwar nur 50 Prozent unserer sonstigen Kundschaft bedienen, aber die Teststraße hatte einen tollen Werbewert.
Wie hat sich Ihr Handwerk im Laufe der Unternehmensgeschichte verändert?
Mein Urgroßvater hat zwar den ersten Salon eröffnet, aber bereits zwei Generationen davor war mein Urururgroßvater Bader. Das heißt, er durfte noch Zähne ziehen und Kaiserschnitte durchführen.
Unser Handwerk ist im Laufe der Geschichte immer spezifischer geworden und es kamen viele Innovationen dazu. Das wird auch so weitergehen, aber bis Friseur:innen von Robotern ersetzt werden, wird es noch lange dauern. Im Kern geht es nämlich darum, die Bedürfnisse der Kund:innen herauszufinden und zu verstehen. Unsere Branche besteht aus 25 Prozent handwerklichem Können, der Rest dreht sich darum, wie wohl sich die Kund:innen fühlen. Denn für sie ist der Friseurbesuch wie eine Auszeit. Hinzu kommt unsere soziale Rolle: Kund:innen verbringen mitunter mehrere Stunden bei uns – dabei wird auch viel kommuniziert.
Wenn Sie an die Zukunft denken: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen und wie wollen Sie darauf reagieren?
Ich denke die Anzahl der Salons in der Branche wird in Zukunft deutlich abnehmen – und mit ihr auch die Qualität, weil es weniger Ausbildungsstätten geben wird. Nachdem unser Gewerbe aber ein Handwerk ist, ist eine gute Ausbildung das Um und Auf.
Genau dort möchten wir ansetzen: Unsere Kund:innen sollen wissen, was sie bei uns als fachlich qualifiziertes Unternehmen erwarten können.
In den letzten Jahren geht die Entwicklung außerdem in Richtung einer Rundum-Pflege. Denn man hat erkannt, dass viele Auslöser für schlechten Haarwuchs von innen kommen – also, dass ein Zusammenhang zwischen psychischem Gleichgewicht und Haarwachstum besteht. Diese Zugänge sind umfassender geworden und werden auch in Zukunft noch umfassender werden.
Was sind Ihrer Ansicht nach die Gründe für den dauerhaften Erfolg Ihres Unternehmens?
Für uns ist immer wichtig, die Mitarbeiter:innen in den Vordergrund zu stellen und sich laufend weiterzuentwickeln, sich nie auszuruhen. In unserer Familie verfolgen wir das Motto: „Ärmel hochkrempeln und weiter geht’s.“ Stillstand gibt es bei uns eigentlich nie.
Was würden Sie Menschen raten, die heute ein Unternehmen gründen, um mindestens 100 Jahre erfolgreich zu sein?
Ein Unternehmen zu gründen und zu führen wird in Zukunft eine noch größere Herausforderung, denn unsere Gesellschaft wird immer schnelllebiger. Alleine im Hinblick auf die letzten fünf Jahre: Corona, Inflation, künstliche Intelligenz … die Entwicklungssprünge werden immer schneller.
Wäre ich jetzt 18 Jahre alt, wäre es unmöglich, auf dieselbe Art und Weise ins Unternehmen einzusteigen, wie ich es damals tat. Denn es haben sich viele Faktoren verändert – wie beispielsweise die Ausbildung der Mitarbeiter:innen. Jede Zeit hat ihre Tücken sowie Chancen und als Unternehmer:in muss man diese erkennen und entsprechend agieren.
Neugründer:innen würde ich auf jeden Fall raten, vorausschauend zu handeln und eine stabile Basis an Werten und Strukturen aufzubauen. Auch konservatives Wirtschaften ist entscheidend in der heutigen Zeit, denn alle streben nach einem schnellen Erfolg. Aber Erfolg braucht Geduld.
Außerdem sollte man immer demütig sein. Als Unternehmer:in – und insbesondere als Friseur:in – kann man jemanden sehr glücklich machen, aber auch sehr unglücklich. Dessen sollte man sich immer bewusst sein.
Unternehmen: Sturmayr Coiffeure
Gegründet: 1918
Zentrale: Ferdinand-Hanuschplatz 1, 5020 Salzburg
Standorte: 16 Salons österreichweit
Mitarbeitendenzahl: ca. 180